W I S S E N S W E R T E S

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Theorie 4: Der Schrägaufzug

Der Autor Friedrich Abitz, der mehrere Bücher über das Alte Ägypten schrieb, hat sich die Szene so vorgestellt: 20 Arbeiter, die jeweils durchschnittlich 70 Kilo wiegen und jeweils einen zusätzlichen Zentner Ballast bei sich haben, stehen in einem Förderkorb. Mit ihrem Gesamtgewicht von 2,5 Tonnen ziehen sie mit einem über eine Rolle gelegten Seil einen Steinquader nach oben. Damit das funktioniert müssen zunächst zwei zwölf Meter hohe Ziegelmauern gebaut werden. Sie stehen paralell zueinander und tragen eine quer liegende, dicke Holzrolle.

Über sie läuft das Seil, dessen erstes Ende an dem Förderkorb (oder an einer Plattform) für die Arbeiter befestigt ist. Am anderen Ende hängt der zu transportierende Stein. Steigen die Arbeiter samt Ballast in den Korb, so sinkt dieser hinab, und der Stein wird als Gegengewicht nach oben gezogen. Dafür spricht, dass mit dieser Methode nicht nur zehn Meter Höhe, sondern - durch die Seitwärtsbewegung der Rolle auf den beiden Mauern - auch zehn Meter Distanz überwunden werden könnten. Dadurch würde der Block eine gedachte Gerade mit einer Neigung von 45 Grad hinauffahren, also fast die Neigung der Pyramidenflanke (52 Grad). Dagegen spricht der erhebliche Konstruktionsaufwand - allein für die Cheops-Pyramide hätte man 17 solcher Aufzüge zusammenschalten müssen. Noch schwieriger: Die Aufzüge hätte in die Pyramide gesetzt werden müssen, was bis zu zwölf Meter tiefe Schlitze im Pyramidengefüge verlangt hätte.

 

Theorie 5: Löhners Seilrolle

Eine andere Möglichkeit, nicht nur die Muskelkraft, sondern auch das Körpergewicht einzusetzen, haben die beiden Pyramidenforscher Heribert Illig und Franz Löhner in ihrem Buch "Der Bau der Cheopspyramide" vorgeschlagen (Mantis Verlag). Sie stellen sich vor, dass Arbeiter auf Gleise gelegte Schlitten über die Pyramidenflanke nach oben ziehen. Am oberen Ende des Pyramidenstumpfes werden die Zugseile über einen Umlenkblock nach unten geleitet, wo sich die Arbeiter mit ihrem ganzen Gewicht in die Seile hängen.

Die Männer bewegen sich also an der Pyramidenflanke langsam abwärts, während sich der Stein nach oben bewegt. Dafür spricht, dass sich genau wie bei Abitz´ Schrägaufzug durch den Einsatz des Körpergewichts das Verhältnis zwischen einsetzbarer Kraft und zu bewältigender Last verbessert. Anders als die Zutaten vieler anderer Theorien ist das Vorhandensein von Umlenkrollen in der Pyramidenzeit bewiesen, zum Beispiel bei der Verschluss-Vorrichtung der Cheops-Grabkammer. Dagegen spricht, dass an den Außenseiten der Pyramiden keine Überreste der von Illig und Löhner beschriebenen Mechanismen gefunden wurden. Außerdem hat die Theorie den Nachteil aller "Schlittenmodelle": die hohe Reibung der Schlittenkufen auf dem Untergrund.

 

Theorie 6: Die lose Rolle

"Die Lösung des Problems lag mitten in einer schlaflosen Nacht vor mir", meinte selbstbewußt ein anderer Außenseiter, der Ingenieur Christian Nowak. Zunächst eine kurze Rechnung: Würde man eine 31 Tonnen schwere Ladung über die 52 Grad steile Pyramidenwand ziehen, wäre dafür (ohne Reibung) nicht die Zugkraft  von 31 Tonnen erforderlich, sondern, weil es ja nicht senkrecht hinaufgeht, nur eine Zugkraft

von 24,43 Tonnen (31 Tonnen mal Sinus von 52). Dies machte sich schon die Theorie von Illig und Löhner zunutze. Laut Nowak haben die Ägypter die benötigte Kraft durch einen weiteren Trick aber nochmals halbiert: durch das Prinzip der losen Rolle. Das ist so etwas wie ein an der Außenfläche der Pyramide liegender Flaschenzug, wobei aber die einzige Rolle dieses Flaschenzuges aus der Ladung selbst besteht. Dafür  werden mehrere Steine an der Pyramidenbasis in einer Reihe gelegt und mit langen Kissen aus Papyrus so umwickelt, dass eine Art Rolle oder Hülse entsteht. Von oben aus werden Seile nach unten unter der Rolle hindurch und wieder zurück nach oben geführt, wo nun Arbeitertrupps zu ziehen beginnen. Dabei sinkt die benötigte Kraft durch die Übersetzung der losen Rolle von 24,4 Tonnen noch einmal um die Hälfte auf 12,2 Tonnen ab. Dafür spricht, dass diese Theorie nicht nur die Kraft-Frage, sondern auch die Vehikel-Frage löst (in welchen Transportmittel die Ägypter die Steine nach oben bekamen). Die lose Rolle ist Vehikel und Übersetzung in einem. Dagegen spricht eigentlich nur das, was gegen alle Theorien spricht: Es gibt keinen positiven Beweis - bis auf ein paar senkrechte Rillen oder Aussparungen an der Pyramidenbasis, durch die die von oben kommenden Seile gelaufen sein könnten.

 

Fazit: Anders als die Anhänger der herrschenden Rampentheorie gehen die Außenseiter fast alle davon aus, dass die Ägypter keine Extrarampen errichteten, sondern die Pyramide jeweils selbst als Rampe benutzten. Tatsächlich erscheint das ökonomisch sinnvoll. Doch die Beweise fehlen. Und so dürfte der Satz des französischen Pyramidenexperten Georges Goyon weiterhin seine Gültigkeit behalten: "Eines der erregensten Probleme der ägyptischen Archäologie ist die niemals zufriedenstellend gelöste Frage nach dem Bau der Pyramiden."
(Gerhard Wisnewski)

Die Pyramidensteine - aufeinander gestapelt wären sie 2000 km hoch!

 

Neue Altersbestimmung der Pyramiden

Die Architekten der Cheops-Pyramide haben den Grundstein des berühmten Bauwerks 75 Jahre später gelegt, als bisher angenommen wurde. Das behauptet zumindest die britische Ägyptologin Kate Spence von der University of Cambridge. Sie bedient sich einer neuen Methode, um das Alter der ägyptischen Pyramiden zu bestimmten. Grundlage für ihre These bildet die exakte - oder auch nicht so exakte - Nord-Süd-Ausrichtung der Monumente.
Laut Spence dienten zwei Sterne, Mizar im Sternbild Großer Bär und Hochab im Kleinen Bären, den altägyptischen Architekten als Orientierungspunkte. In der Mitte des dritten vorchristlichen Jahrtausends lag der Nordpol genau zwischen diesen beiden Sternen, vorher und nachher verschob das Schwanken der Erdachse aber die exakte Ausrichtung. Alle Pyramiden, die älter sind als Cheops, weisen mit steigendem Alter einen Fehler in Westrichtung auf, alle jüngeren einen Fehler in Ostrichtung. Diese Tatsache unterstüzt Spencers Theorie, nach der die Cheops-Pyramide nicht, wie bisher angenommen, um 2552 v.Chr. entstand, sondern erst um 2477 v.Chr., also ein dreiviertel Jahrhundert später.
(Gina Kirchweger)

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